Offener Brief
Lieber Tierarzt,
wir sind stinksauer auf Sie und Ihr Team.
Man muss ja kein Freund der Rohfütterung sein, aber es stünde Ihnen gut, nicht als ein solch unerbittlicher Gegner dieser Art des Fütterns aufzutreten.
Wie oft kam es in den zurückliegenden Jahren schon vor, dass Hundebesitzer, die aus Liebe zu ihrem Tier und aus vernünftigen Gründen den Weg zur Rohfütterung und damit in unseren Laden gefunden hatten, durch Sie anschließend wieder von diesem eingeschlagenen Weg abgebracht wurden, da Sie ihnen gegenüber die Rohfütterung als Hexenwerk verteufelten.
Besonders Welpenkäufer, die sich – entweder von Ihren Züchtern geschickt oder aus eigenem Antrieb – von uns haben beraten lassen und begonnen hatten, ihre neuen Familienmitglieder roh und gesund zu ernähren, wurden durch Sie „auf die richtige Bahn zurückgebracht“. Einige kamen anschließend zu uns und entschuldigten sich dafür, nicht mehr unsere Kunden zu sein, aber „unser Tierarzt hat uns gesagt, dass es der größte Fehler ist, den man machen kann, wenn man seine Welpen und Junghunde roh ernährt“.
In diesem Zusammenhang möchten wir festhalten, dass es uns nicht auf ein, zwei oder drei Kunden mehr oder weniger ankommt. Jeder, der uns kennt, weiß, dass wir unseren Laden in erster Linie aus Liebe zu unseren vierbeinigen Familienmitgliedern haben und dadurch Kontakt zu zahlreichen Gleichgesinnten bekommen.
Bei Hundebesitzern Panik zu verbreiten, ist einfach keine Art.
Da nützt es auch nichts, dass Sie zwischenzeitlich ein klein wenig selbst auf den Barfzug aufgesprungen sind und gerne gegen gutes Geld ein Barf-Blutprofil anbieten.
Ein aktueller Fall und damit der Grund, dass wir diesen Brief schreiben, ist ein junges Ehepaar, das vor einigen Wochen in unserem Laden war.
Sie erwarteten Familienzuwachs in Form eines zehn Wochen alten Welpen. Besonders die junge Frau hatte sich eingehend mit der Rohfütterung beschäftigt, hatte einschlägige Literatur gewälzt und kam mit vielen Fragen, auch und besonders, da es sich um ihren ersten Hund handelte.
Als der Welpe endlich eintraf, hatten sie – einerseits mit unserer Hilfe, andererseits aber auch unter Zugrundelegung des anderweitig angeeigneten Wissens, eine solide Grundlage geschaffen, den Hund richtig und artgerecht zu ernähren. Die junge Frau erzählte uns bei einem der nächsten Einkäufe, wie glücklich sie seien, dass der junge Hund die Eingewöhnung gut überstanden hätte und seinen Napf bei jeder Mahlzeit mit Appetit und Freude leerte. Auch ansonsten waren sie sehr zufrieden mit der Entwicklung und Sozialisierung – die ersten Tage und Wochen in der Familie, aber auch in der Öffentlichkeit und der Welpenschule verliefen vielversprechend.
So weit so gut.
Heute nun kam diese Frau ziemlich verunsichert und fast den Tränen nah in unseren Laden.
Bei einem Besuch in Ihrer Praxis war sie von der behandelnden Tierärztin, der sie den Hund zu einer Eingangsuntersuchung und der Impfauffrischung vorstellte, aufs Massivste bedrängt worden, den Hund auf gar keinen Fall roh zu ernähren – das sei besonders im ersten Jahr ein unverzeihlicher Fehler.
Wissen Sie, was Sie angerichtet haben?
Eine gute und fast euphorische Stimmung im Hause des jungen Ehepaars hat sich gewandelt und jetzt herrscht dort Unsicherheit und Unfrieden.
Die Halbgötter in Weiß haben gesprochen und jetzt ist nichts mehr, wie es war.
Wir werden diesen Brief nie abschicken, denn auch so werden Sie vielleicht feststellen, dass Sie einen Patienten verloren haben. Die Frau hat bereits einen neuen Termin bei einem anderen Tierarzt vereinbart. Wir haben nicht versucht, sie davon zu überzeugen, weiterhin roh zu füttern, haben sie aber gebeten, diesen neuen Tierarzt, den sie nächste Woche besuchen wird, zur Rohfütterung zu befragen und sich dann unter Zugrundelegung seiner und unserer Ratschläge eine eigene Meinung zu bilden.
Hochachtungsvoll
Ihre Rohfutterkiste